I. FUSSNOTEN ZUR PRODUKTION DES KLEINBÜRGERTUMS
„Der Kleinbürger“, schreibt Roland Barthes in den „Mythen des Alltags“, „ist ein Mensch, der unfähig ist, sich den Anderen vorzustellen“. So ist er, in der Geschichte und in der Biographie, geworden. Um – ökonomisch und sozial – als Kleinbürger zu überleben, als Mensch, der nicht allein seine „nackte“ Arbeitskraft zu Markte trägt, sondern auch mit Bildung, Tradition, ein wenig Besitz, ein wenig Distinktion aufwarten kann, musste man also, es mag im 18. Jahrhundert begonnen haben, eben dieser Fähigkeit, sich den Anderen vorzustellen, nach und nach entledigen. Möglicherweise entstand das dadurch, dass man sich verbieten musste „nach oben“ zu schauen (in die Welt von „denen da oben“, die nicht nur unerreichbar sondern auch moralisch inakzeptabel war), und zugleich verbieten musste nach unten zu schauen, in den Abgrund der niederen Klassen, in die man durch Unglück oder Fehlverhalten hinunter fallen könnte (und möglicherweise ohne als gefallener Kleinbürger vom Proletariat aufgefangen zu werden). Sich den Anderen unvorstellbar zu machen gehörte gleichsam zur Sicherung der Klassenerhalts im Kleinbürgertum. Weiterlesen